Graduate School in History and Sociology
Universität Bielefeld
Postfach 10031
D-33501 Bielefeld
Prof. Dr. Thomas Welskopp
Ulrike Schulz
ulrike.schulz@uni-bielefeld.de
Sylvia Wölfel
Sylvia.Woelfel@tu-dresden.de
Veit Damm
v.damm@mx.uni-saarland.de
Swen Steinberg
Swen.Steinberg@tu-dresden.de
Bielefeld, 10.12.2008
Konzept zur Gründung eines Arbeitskreises in der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte sowie Vorschlag für ein Konferenzpanel/Workshop
Unternehmensgeschichte als Transformationsgeschichte: Zur Geschichte von Unternehmen in Ostdeutschland zwischen 1939-1995
Die Unternehmensgeschichte als akademische Disziplin ist mitten im Umbruch und steht vor der Herausforderung, sich neu zu orientieren. Das gesellschaftliche Interesse an der Geschichte von Unternehmen, das seit Mitte der 1990er Jahre im Zuge der Diskussionen um die Beteiligung deutscher Firmen und Banken an Holocaust und Zwangsarbeitereinsatz ausgelöst wurde, hat sich bereits deutlich abgeschwächt. Diese Entwicklung wird mittelfristig auch für die wissenschaftliche Beschäftigung Konsequenzen haben und sich aller Wahrscheinlichkeit nach negativ auf die nachhaltige Förderung des Faches auswirken. Die im Zuge dieser Forschung entstandene kritische Unternehmensgeschichte in Deutschland, ihre Öffnung für kulturhistorische und soziologische Fragestellungen und nicht zuletzt die qualitativ beeindruckenden Ergebnisse der letzten zehn Jahre laufen möglicherweise Gefahr, in ihrer Auswertung stecken zu bleiben.
Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion über neue Zugänge und Themen in der deutschen unternehmensgeschichtlichen Forschung überfällig. Ähnliches gilt für die systematische Erschließung der Geschichte ostdeutscher Unternehmen. Für beide Anforderungen soll ein neuer Arbeitskreis in der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte gegründet werden. Die Konzentration auf das Gebiet der ehemaligen DDR beziehungsweise der neuen Bundesländer begründet sich jedoch nicht nur über die historische Aufarbeitung, sondern auch über die Gewinnung neuer Erkenntnisse zu Stabilitätskriterien bzw. Destabilisierungsprozessen von Wirtschaftssystemen und der Entwicklung neuer Zugänge zu den Wandlungsprozessen von Wirtschaftskulturen.
Unsere Zielstellung ist es weiterhin, durch Vernetzung und Austausch die Unternehmensgeschichte in Ostdeutschland zu fördern und langfristig auch institutionell anzubinden: Zum einen geht es um die Unterstützung der wissenschaftliche Aufarbeitung in Ostdeutschland – das Wissen über einzelne Unternehmen, Wirtschaftsregionen oder spezifischen Branchen ist weitgehend lückenhaft, die überaus reichhaltigen Archivbestände sind ungenügend ausgebeutet. Zum anderen geht es um die spezifische DDR-Geschichte ostdeutscher Unternehmen, die primär als Transformationsgeschichte begriffen wird.
Projektierte Forschungsschwerpunkte:
Transformationsgeschichte von ostdeutschen Unternehmen über die zu eng geführten Epochenzäsuren 1945 und 1989 hinweg. Die Geschichte ostdeutscher Unternehmen beginnt weder erst nach dem Zweiten Weltkrieg noch endet sie mit dem Mauerfall 1989. Es erscheint sinnvoll, mindestens die Ausgangssituation der einzelnen Unternehmen vor dem Zweiten Krieg anzusetzen. Desweiteren ist von einer Transformationsphase bis 1995 auszugehen, in der sich entschied, ob und in welcher Form die Unternehmen den politischen und wirtschaftlichen Systemwechsel von 1989 überstanden. Besonders reizvoll ist vor allem der Vergleich der zumeist doppelten Transformation dieser Unternehmen, die vertiefte Einsichten über wirtschaftliche Prozesse in einer komplexen Unwelt insgesamt versprechen.
Für einen solchen Systemvergleich muss es die Zielsetzung der wissenschaftlichen Forschung sein, realistische, vor allem auch sozioökonomisch fundierte Kategorien und Typologien zu entwickeln. Große Teile der DDR Geschichtsforschung hat sich aus Gründen, die hier nicht einzeln ausgeführt werden können, allzu stark auf politik- und kulturgeschichtliche Zugänge kapriziert.
Dazu gehört selbstverständlich die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen stärker noch in den Forschungskontext einzubetten. Hier wird sich u.a. zeigen, dass und inwiefern die DDR eine Sonderrolle im Ostblock eingenommen hat. Langfristig wäre es ausgesprochen reizvoll, die osteuropäische Perspektive einzubinden.
Ein ganz wesentlicher Bestandteil des Arbeitskreises und ein Desiderat der Forschung ist die Organisation der Finanzierung der DDR-Wirtschaft. Um zu verstehen, wie die Planwirtschaft auf die Unternehmen durchschlug, sollten die Finanzierungsinstrumente, vor allem die Regelungskompetenzen der jeweils verantwortlichen Akteure präziser zugeordnet werden.
Nicht zuletzt wird dieser Arbeitskreis einer kritischen und theoriegeleiteten Forschung verpflichtet sein, die zu streitbaren Synthesen kommen will. Hier hat die Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte völlig ungenutzte Potenziale. Da Unternehmen einen gesellschaftlich relevanten Ort darstellen, sollte sich von den Vertretern der Unternehmensgeschichtsforschung auch verstärkt in vermeintlich „entfernte“ Forschungsfelder korrigierend „eingemischt“ werden.
Als ein letzter mittelfristig orientierter Schwerpunkt eines solchen Arbeitskreises wäre die Mitarbeit und Anbindung an bewährte und neue Multiplikatoren zu nennen. Hier geht es zum einen um den Dialog mit ostdeutschen Unternehmern selbst, wie es der Arbeitskreis Kleine und mittlere Unternehmen als Modell vorgegeben hat. Zum anderen sollte zumindest angedacht werden, ob die derzeitige Umstrukturierung der Gedenkstättenlandschaft in den neuen (aber auch alten) Bundesländern nicht ebenfalls als ein gesellschaftspolitisch relevantes Themenfeld für die Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte wäre. Für Konzepte wie das einer „integrierten Lernlandschaft“, die dem Schwerpunkt des Lernens vor dem Gedenken und Erinnern verpflichtet ist, wird die sozio-ökonomische Forschung von Geschichtsaufarbeitung wichtiger. Ein Beispiel einer solchen Synthese ist die Gedenkstätte „Topf & Söhne“, die im letzten Jahr in Erfurt bewilligt wurde.
Ein Arbeitskreis, der die Geschichte ostdeutscher Unternehmen als Transformationsgeschichte begreift und konzeptionell ausarbeitet, hätte mit einer Einbindung in die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte ein ideales Forum. Um die Tragfähigkeit und Perspektiven eines solchen Arbeitskreises auszuloten und zu diskutieren, ob und in welcher Nachhaltigkeit ein Arbeitskreis „Unternehmensgeschichte -OST“ zu gründen und mittelfristig zu stabilisieren wäre, soll zunächst eine Tagung beziehungsweise Workshop stattfinden.
Zielgruppen Teilnehmer Workshop/Panel:
Wissenschaftler aus der Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte
Wissenschaftler aus der Umwelt- und Technikgeschichte
Vertreter von Industrie und Handel
Interessierte Öffentlichkeit
Zielgruppe Referenten:
Wissenschaftler und Doktoranden, die ihre Ergebnisse und damit verbundene neue Ansätze zur Diskussion stellen sowie Unternehmer und Wirtschaftsfunktionäre, die aus der Praxis ihre Erfahrungen vermitteln.
Gewünschte Kooperationspartner
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte als wissenschaftlicher, institutioneller und „kurzfristig“ finanzierender Partner (siehe Finanzierung)
Sächsisches Wirtschaftsarchiv Leipzig e.V. - ist derzeit als organisatorischer Partner und Bewerbung im Netzwerk - Teilnahme bereits mündlich zugesagt
IHK Leipzig/Halle Dessau/Etc. - finanzielle Beteiligung, Bewerbung im Netzwerk
AKKU e.V. - Bewerbung im Netzwerk
Zeithistorisches Forum Leipzig - Bewerbung im Netzwerk, inhaltlicher Beitrag
Stiftung Sächsische Gedenkstätten - Bewerbung im Netzwerk, inhaltlicher Beitrag
Stiftung Ettersberg - Bewerbung im Netzwerk, inhaltlicher Beitrag
Organisation Arbeitskreis/Workshop:
Professor Dr. Thomas Welskopp (Universität Bielefeld)
Ulrike Schulz (Universität Bielefeld)
Sylvia Wölfel (TU Dresden)
Veit Damm (Universität des Saarlandes, Saarbrücken)
Swen Steinberg (TU Dresden)
Finanzierung Arbeitskreis/Konferenzen:
kurzfristig: Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG)
mittelfristig: GUG, Fördermittelanträge Stiftung Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur etc.
langfristig: GUG in Kooperation mit Unternehmern, IHKs sowie obige Stiftungen sowie ev. Gedenkstättenstiftungen (Siehe Kooperationspartner)
Programmvorschläge Panel/Workshop
Ostdeutsche Unternehmensgeschichte als Transformationsgeschichte
Sylvia Wölfel: Zwischen ökologischer Verantwortung und ökonomischem Zwang: Vom VEB dkk Scharfenstein zur FORON Hausgeräte GmbH (laufendes Dissertationsprojekt) - zugesagt
Swen Steinberg: Verlust als Indikator für die Stärke von Kultur? Identifikationsprozesse in der ländlichen Industrie Sachsens am Beispiel des Papierunternehmens Kübler & Niethammer in Kriebstein (1856-1956) (laufendes Dissertationsprojekt) - zugesagt
Sönke Friedreich: Autos bauen im Sozialismus. Arbeit und Organisationskultur in der Zwickauer Automobilindustrie nach 1945 (abgeschlossenes Habilitationsprojekt) - angefragt
Ulrike Schulz: Die Geschichte der Firma „Simson“, 1935-1993 (laufendes Dissertationsprojekt) - zugesagt
Deutsch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen
Peter Fässler: Überblick Forschungsgegenstand - angefragt
Kim C. Priemel: Transformation der Flickschen Beteiligungen in Ostdeutschland - zugesagt
Organisation und Finanzierung
Veit Damm: Überblick Forschungsgegenstand - zugesagt
Möglichkeiten einer Anbindung an die ostdeutsche Gedenkstättenlandschaft
Peter Wurschi/Ulrike Schulz: Allgemeine Fragen und Perspektiven der Zusammenarbeit - zugesagt
Derzeit ist noch nicht absehbar, wie viele Doktoranden, Magistranden und Wissenschaftler an den projektierten Themen arbeiten bzw. gearbeitet haben. Mit der Gründung des Arbeitskreises wird diese Recherche umgehend beginnen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich ausreichend Forschungsprojekte finden und integrieren lassen.
Für Unternehmer, die in Frage kommen, wird bereits nach möglichen Kooperationen gesucht - allerdings ist eine verlässliche Aussage zur Mitarbeit nur dann zu erwarten, wenn eine angemessene institutionelle Anbindung auch zugesichert werden kann. Auch hier ist der GUG AK KMU ein Vorbild.
Mittwoch, 1. Juli 2009
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